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Tagwache um 5.45 Uhr. Ich will beim Hellwerden am Ort sein. Beispielsweise an der Hauptverkehrsachse Arbon – Bonau. Irgendwo, wo ich meinen Plakatträger und zugleich Güselwägeli auffällig parken kann. Triopan aufstellen und «Politiker räumt auf!» – Täfeli draufsetzen. Sicherheitsgilet anziehen und los geht’s! Die Greifzange rechts und den Güselsack links in der Hand; eine gute Strecke ablaufen und den Abfall einsammeln: mein NR-Wahlkampf! Es ist ein Stiller, manchmal ein Langweiliger. Seit 5 Wochen. Bei jedem Wetter. Der Straßenrand ist meine politische Bühne.

Niemand hilft mir. Wo sind die Umwelt- und Klimaretter, denke ich. Sie alle schreien und lamentieren. Bin ich der Einzige, der was tut?

Solche Fragen gehen mir durch den Kopf. Einer hupt wie wild. Nein, nicht, weil ich im Weg wäre: Es ist ein Sympathie-Huper! Ich winke mit der Zange in der Hand zurück. Solche Momente sind cool und moti­vieren mich.

Zigarettenstummel zu Tausenden, Zigischachteln, Alubüchsen, PET-Flaschen, Plastik, Autoteile, ge­füllte Windeln und Hundesäckli… es will nicht auf­hören mit Güsel. Hei, geht’s noch?: «Jetzt habe ich doch gestern hier schon aufgeräumt, jetzt liegt da schon wieder das halbe Fast-Food-Kette-Inventar!» «Sauhünd» denke ich und räume es wieder weg.

Der Bauer kommt zu mir und schickt mich weg. Das Argument, ich würde seine Wiese aufräumen, zieht nicht: Er wolle keine Politik auf seinem Land! Aber Abfall schon, denke ich. Ich respektiere das und ziehe weiter.

Ich bin in einen nassen, abhaldigen Wiesenweg-Einlenker hineingefahren und beinahe mit dem Chäreli versoffen! Puhh! Glück gehabt, ich bin wieder rausgekommen ohne fremde Hilfe.

Wieder hupt einer, ein anderer schreit aus seinem Wagen: «Coole Aktion, Peck (Freunde nennen mich so), meine Stimme hast Du!» Solche Momente motivieren, weiterzumachen.

Zwischendurch esse ich ein Sandwich. Das Verpackungsplastiksäckli kommt zum Restmüll auf die Ladeflä­che. Ich will über die verkehrsreiche Zeit über Mittag auf der Strasse sein.

Irgendwann ist das Chäreli voll. Ich fahre ins RAZ. Ob ich das Plakat auf dem Wägeli entsorgen wolle, fragt mich der Wäge-Meister. Schmunzelnd verneine ich und erkläre den Sachverhalt. Fachgerecht entsorge ich Alu, PET und Restmüll. Ich beobachte, wie ein RAZ-Mitarbeiter aufmerksam meine Wahlplakat-Themen auf dem Riesenplakat studiert. Was er wohl grad denkt? Offensichtlich falle ich auf und werde wahrgenom­men. Ich fahre wieder auf die Waage. Und bezahle die Zeche. Ob ich diese Kosten dem DBU weiterleiten könnte, frage ich mich. Ich kann Carmen Haag bei der nächsten Kantonsratssitzung ja dann fragen.

Weiter geht’s mit fätzle. Der Thurgau kommt mir endlos gross und «nicht ganz sauber» vor. Ich meine die Abfallsünder…

Ein anderer Landbesitzer fährt mit seinem Elektrowägeli vor und grüsst: «Ohni z frööge doo uf dä Wäg par­kiere? Chasch mer öppis zahle!» «Nei, I zahl dr nüüt, schliessli putzi dini Wise!» antworte ich und ein längeres Gespräch entsteht. «Isch eigentlich guet, wat machsch, mach wiiter, chasch bliibe.» Wir machen Duzis und er versichert mir, dass ich wiederkommen dürfe.

Langsam kommt der Feierabendverkehr auf. Immer wieder wird gehupt und zugerufen. Das tut gut! Um etwa 19.30 Uhr bin ich daheim mit der Familie beim Znacht. Ich erzähle von meinen Erlebnissen. «Wa machsch, wennt gwählt wirsch,» fragt eines der Kinder. «Denn wäri parat; au i dä Firma wärs greglet» und «dann hat das Thurgauer Volk meinen Wahlkampf und meine Haltung verstanden, dann will ich auch künftig dem Land dienen.»